„Mutherodt“, die Siedlung mitten im gerodeten Wald
wurde in päpstlicher Urkunde 1195 erstmals erwähnt
(WR-Heimat-Rundschau von 17.08.1995)
MITTERODE (hm). Am 20.12.1195 bestätigte Papst Celestinus III. höchstpersönlich dem Kloster Germerode in einer Urkunde den Besitz von 11 Höfen sowie Besitz in 33 Dörfern und Höfen. Dazu gehörte der Hof Mutherodt, weil mitten im Wald gerodet, aus dem später Müterode und letztlich Mitterode wurde. In kurzen Abständen wechselte der Name über Müttenrod, Metterode und Mütterode, seit 1745 ist die heutige Ortsbezeichnung geläufig. In den ersten Wohnhäusern rund um die Kirche wurden Tagelöhner, Knechte, Handwerker und Bauern angesiedelt.
Ganzer Ort verpfändet
Als Hof, Siedlung und Dorf wurde der Ort mehrfach hin- und hergerissen zwischen verschiedenen Besitzern und landsmannschaftlichen Zugehörigkeiten. Ursprünglich gehörte die Gemarkung zum thüringischen Ringgau, wechselte im hessisch-thüringischen Erbfolgekrieg nach Hessen, wurde Ende des 14. Jahrhunderts von Mainzer und Kölner Bischöfen erobert, kehrte später nach Hessen zurück, und 1407 wurden die Dörfer Müterode und der heutige Hof Wellingerode sogar verpfändet, womit der thüringische Landgraf als Lehnsherr anerkannt wurde.
Es folgten bewegte Jahre, in denen nach dem Aussterben derer von Hessen-Rotenburg 1834 das Kurfürstentum Hessen-Kassel das Sagen hatte, Napoleon das Gebiet in sein neu gegründetes Königreich Westfalen einver1eibte, und selbst in der Neuzeit war Mitterode heiß begehrt. Das Amt Sontra teilte es dem Amt Bischhausen zu, es kam auf diesem Weg 1821 zum Landkreis Eschwege und ist heute mit 220 Einwohnern achtgrößter Stadtteil von Sontra. Nicht genug mit dieser Wechselhaftigkeit, auch die Kriege gingen nicht spurlos
vorüber, wenngleich im Kirchenregister nur von „kleineren Übergriffen“ die Rede ist. So „wurde die Tür der Oberstufe im Pfarrhaus eingetreten“, und der Kachelofen musste neu gesetzt werden, weil „die Soldaten ihn also verderbet, dass man ihn nicht hat flicken können“.
Im 30jährigen Krieg muss es den Einwohnern sehr schlecht gegangen sein, denn sie bitten, ihnen die Zinsen zu erlassen, „weil sie bei diesen hoch beschwerlichen Kriegszeiten durch die vielfache Plünderung also erschöpft worden, dass sie kaum das Brot erwerben können“, während die Herren auf den Erbzins des Hauses von Oswald Clemens gänzlich verzichten mussten, weil dieser „mit seinem Weib und fünf Kindern an der Pest verstorben war“.
1745 bestand die „Dorfschaft aus 38 Häusern oder Feuerstätten, den von Dieden auf Wellingerode zins-, dienst- und lehnbar“. Um 1500 herum entstand durch die Zusammenlegung mehrerer Fluren die Gemarkung Mitterode, wozu unter anderen das Dorf Hilgerode, die Speckmühle, der Gutsbezirk Urlettig, die Hälfte der Wüstung Ubach sowie Hof und Dorf Wellingerode gehörten.
120 Seiten Festschrift
Adam Ackermann hat zur 800-Jahr-Feier in mühsamer Kleinarbeit eine bebilderte Festschrift erstellt die Chronikcharakter hat, und auf über 100 Seiten zahlreiche bemerkenswerte Ereignisse aus der Geschichte Mitterodes zusammengetragen. 14 Hirten gab es am Ort bis zum Jahre 1823, Schäfer gab es derer 15 bis 1883, alle namentlich aufgeführt wie die Auflistung von Flurnamen. An der Trift, Eichholz, Lehmkutte oder Roter Rain sind geläufig und vielerorten anzutreffen, aber Zielstock, Heckmannsgraben, Daumen, Dinkeldelle oder gar Speckmüllerskeller dürfte es wohl nur in der Gemarkung Mitterode geben.
Vielsagende Flurnamen
Dabei bringt die Herkunftsforschung beispielsweise zu tage, dass der Graben nach den Bauern Heckmann benannt ist, die von 1671 bis 1795 in Haus 37 gewohnt haben, oder die Delle nach der alten Weizensorte Dinkel, die an dieser Stelle wegen guten Bodens und geschützter Lage angebaut wurde. Überhaupt war der Ort stets bäuerlich geprägt, wie die Aufzählung der ersten freien Bauern nach der Bauernbefreiung 1832 zeigt. Stederoth, Schnitzer oder Schulze hießen sie und trugen allesamt alte deutsche Vornamen wie Johann, Johannes, Conrad oder Philipp. 280 Meter über dem Meeresspiegel, gemessen in der Flur Flachsröste, liegt das Dörfchen und ist von Bergen zwischen 300 Meter und 407 Meter Höhe umgeben.
In 313 Jahren seit 1659 hat Mitterode 20 Dorfschulzen und Bürgermeister „verbraucht“, der letzte war Karl Hohmann, der nach der Gebietsreform 1972 noch 21 Jahre Ortsvorsteher war und dann vom momentan amtierenden Uwe Spychala abgelöst wurde. Ihren Pfarrern hingegen scheinen die Mitteröder das Leben schwerer gemacht zu haben, „verschlissen“ sie doch in 400 Jahren 37 Gottesmänner und seit 1930 mangels eigener Pfarrstelle 13 Vertreter aus benachbarten Gemeinden.
1843: 348 Einwohner
Der Ort verfügte seit jeher über reichlich Wasservorkommen, wie die erste Zählung belegt. 1745 gab es elf Brunnen, die bekanntesten und größten waren der Ziehbrunnen am Pfarrain und der Ziehborn am Bornrain.
Der Bau der ersten Wasserleitung datiert von 1907. Interessant auch die detaillierte Aufführung von 23 Hausinschriften, jedes zweite hatte praktisch eine, die neben frommen Sprüchen und der Nennung des Bauherren auch originelle Züge trugen, wie zum Beispiel „Ich kam in ein fremdes Land, da stand geschrieben an der Wand: Bleibe fromm und sei verschwiegen, was nicht dein ist, das las liegen“, zu finden am Hau Nr. 4, heute Ligusterweg 13. Die Hausnummern wurden übrigens um 1770 von der Brandkasse eingeführt, um bei der Häufigkeit gleicher Nachnamen der Verwechslungsgefahr vorzubeugen. Hof Wellingerode, Hof Urlettig sowie die Speckmühle trugen die Nummern 1 bis 3, in Mitterode selbst fing es mit der Nummer 4 an der Kirche an und ging bis Nummer 41. Alle Häuser mit den Nummern 42 aufwärts wurden nach 1775 gebaut, und das waren einige, wie die Entwicklung der Einwohnerzahlen verdeutlicht. Die Zählweise nach Haushalten oder Wohnhäusern wurde 1826 erstmals aufgegeben, als 320 Einwohner registriert waren, eine Zahl, die sich über 348 (Höchststand 1843), 256 (1895), 243 (1972) bis heute 220 eingependelt hat. Der starke Rückgang zwischen 1843 und 1895 ist auf Auswanderungen zurückzuführen.
Zahlreiche Kriegsopfer
Tapfere Männer hat Mitterode offensichtlich immer hervorgebracht, denn ihre Teilnahme an verschiedenen Kriegen ist genau belegbar. Gleich drei Mitteröder haben als hessische Söldner im amerikanischen Freiheitskrieg gekämpft, allerdings mit unterschiedlichem Schicksal. Was mit Georg Ronshausen geschah, verschweigt die Chronik, Georg Hartmann wurde gefangen genommen, Johannes Ronshausen ist gar übergelaufen. Vom Russlandfeldzug Napoleons kam Johannes Stederoth nicht mehr zurück, am deutschen Krieg 1866 waren sechs Mitteröder beteiligt, und 1870/71 gleich 13, die überwiegend Infanterie- und Husarenregimentern angehörten. Im ersten Weltkrieg fielen zehn Männer, und im zweiten blieben 18.
Stachelbeerschnitzer
Wie in vielen anderen Ortschaften, blieben auch die Mitteröder nicht von einem Spitznamen verschont, und der soll folgende Herkunft haben, wie von Kreisschulrat Karl Dithmar (1916-1938) bei einem Schulbesuch erzählt wurde: Im benachbarten Rechtebach betrieb der Pfarrer nebenbei Landwirtschaft. Als der Misthaufen immer größer wurde, schickte er seinen Knecht damit los, der ihn dort abladen sollte, wo der Boden am schlechtesten sei.
Fündig wurde dieser in der Nähe von Mitterode, wo er den Mist neben einem Stachelbeerstrauch ablud. Dieser wuchs ob der guten Düngung so sehr, dass man bald nicht mehr wusste wohin mit den Früchten. Schließlich schlug der Dorfschulze vor, die Beeren zu schnitzen und im Backofen zu dörren. Gesagt, getan, und seither spricht man von den Mitteröder Stachelbeerschnitzern, womit diese Schnurre allerdings noch nicht zu Ende ist. Der Stachelbeerbaum soll nach dem Fällen vier Meter Holz und eine Menge Reisig gebracht haben, während aus dem Stamm die Welle des Mühlrades der Speckmühle gefertigt worden sein soll.
Drei Tage feiern
Ob das nun geschwindelt ist oder nicht, sie werden sich viel zu erzählen haben, die Mitteröder und die zum Fest eingeladenen rund 120 ehemaligen Bewohner, und das gleich drei Tage lang. Vom 18. bis 20. August feiern sie den 800. Geburtstag ihres Heimatortes.
800-Jahr-Feier Mitterode
„Stachelbeerschnitzer“ haben auch beim Kommers ihre Kirche im Dorf gelassen
(WR-Heimat-Rundschau von 21.08.1995)
MITTERODE (hm). Die Kirche in Mitterode ist älter als ursprünglich vermutet, war Gegenstand der von Pfarrer Weidner vorgetragenen Festrede, ist die einzige weit und breit deren Turm an der Westseite steht und sie schmückt als Dorfmittelpunkt die Festplakette. Deshalb haben sie auch nicht abgehoben, die „Stachelbeerschnitzer“, wie die Mitteröder mit Spitznamen heißen, das gute Stück im Dorf gelassen beim Kommers zur 800-Jahr-Feier im Festzeit. Und dort drängelten sich am Freitagabend dreimal so viel Gäste, wie der kleine Sontraer Stadtteil Einwohner hat. Einige auswärtige Gäste, allesamt liebe Nachbarn, trugen zum Programm bei, alles andere haben sie allein bewältigt, einige waren gleich mehrmals in unterschiedlichen Funktionen und Kleidern aktiv. Die „Ulfener Jungs“ eröffneten den Abend, Festausschussvorsitzende Marianne Schwanz, Bürgermeister Gerhard Büchling und Ortsvorsteher Uwe Spychala begrüßten die Gäste. Der aus elf Damen bestehende Frauenstammtisch gab sein Debüt als Chor, ließ die „Glocken der Heimat“ auch ohne Dirigenten gelungen erschallen. Dem kurzen aber herzlichen Grußwort von Stadtverordneten-vorsteher Heinz Gebhardt schlossen sich die zwölf Gymnastikdamen an, die so gekonnt zur „Berliner Luft“ tanzten, dass sie zwar nicht Schuhe und Strümpfe, wohl aber teilweise Hut und Halstuch verloren. Die engagierten Damen, die zum Teil auch noch anderweitig auftraten, erhielten von dem alten Haudegen Hans Berlipp aus Wichmannshausen ein dickes Lob, als er sie liebevoll als „stämmige Menscher“ bezeichnete, damit wohl ihre wohlgeformten Proportionen meinte. Pfarrer Reinhard Weidner versuchte in seiner Festrede, Geschichte lebendig werden zu lassen, fand auch kritische Worte.
Weshalb erinnere man sich stets nur an urkundliche Erwähnungen oder markante Ereignisse, nie aber an die Menschen, die dahinter stünden? In diesem Zusammenhang fand er lobende Worte für Adam Ackermann, der die Festschrift mit Chronikcharakter erstellte, dabei Menschen in den Vordergrund stellte. Die Chorvereinigung Sontra ließ sich ihren Auftritt ebenso wenig nehmen wie die Nachbarn von der Volkstanzgruppe Hosbachtal.
Landrat Dieter Brosey als Schirmherr über brachte Glückwünsche und Geschenk des Kreises, die Abgeordneten Joachim Tappe, Bernd Schleicher und Angelika Scholz erwiesen dem Jubiläumsdorf die Ehre und zwischendurch absolvierte der gerade mal ein Jahr alte Kirchenchor seinen ersten großen Auftritt ohne jegliches Lampenfieber. Zum Gassenhauer „ Conquest of paradise“ marschierten zwölf wohlgebaute Herren mit Mönchskutten und Kerzen ein, entpuppten sich nach spontaner Entkleidung schnell als Männerballett. Eine Uraufführung als krönender Abschluss, die viel Beifall erhielt. Ein kleines Dorf, das sich glücklich schätzen kann, abseits der Straße gelegen zu sein, wie es in den Grußworten zum Ausdruck kam. Ohne Laden, aber mit zwei Kneipen, womit auch erklärt sein mag, weshalb sie so tüchtig zu feiern verstehen, was sie mit dem Kommers eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.
Phantasiereicher Festzug
Ernten, schlachten, waschen, heiraten und auswandern
(WR-Heimat-Rundschau von 23.08.1995)
MITTERODE (hm). Das ist nicht der Lebensinhalt der Mitteröder, sondern eine Auswahl besonders gelungener Motive aus dem Festzug, um es vorweg zu nehmen. Sie haben nicht viele Straßen in Mitterode und deshalb auch die längsten fur den historischen Festzug zur 800-Jahr-Feier ausgesucht, dennoch hat er sich selbst eingeholt, als die Zugspitze aus dem Fichtenweg kam, die letzten Gruppen gerade in den Ligusterweg marschierten.
40 Gruppen
Knapp 40 Gruppen waren vertreten, Mensch, Tier und Maschinen farbenfroh gemischt, zu Fuß und mittels unterschiedlichster Fortbewegungsmittel schlängelten sie sich durchs Dörfchen, eine Menge Zuschauer säumte den Straßenrand. Mit Bürgermeister und Magistrat schritt Festausschussvorsitzende Marianne Schwanz voran, sichtlich doppelt stolz, auf den Umzug als Festhöhepunkt und weil sie am Vortag Oma geworden ist. Ein Modell der Dorfkirche folgte, Kinder waren in Anlehnung an den Spitznamen als überdimensionale Stachelbeeren verkleidet.
Wie‘s früher war
Typischen Arbeiten aus früheren Tagen widmeten sich die meisten Gruppen. Es wurde geschlachtet und geerntet, mit Händen Wäsche gewaschen, Brot gebacken und gesponnen. Der Schmied hatte richtig Feuer gemacht auf seinem Wagen, des Speckmüllers Mühlrad wurde vom Wasser getrieben. Weshalb dem Brautwagen und dem Hochzeitszug ausgerechnet die Auswanderer mit Sack und Pack folgten, war nicht zu ergründen, mag sein, dass mancher Mitteröder nicht allein wegen der Armut die Heimat verlassen, sondern nach Eheschließung alsbald das Weite gesucht hat.
Dorfthema Nr. 1
Günter Heese, bekannter Karnevalist aus Sontra, mimte einen strengen Dorfschullehrer, der einen aufsässigen Schüler züchtigen musste, der den Text des Liedes „Alle Vögel sind schon da“ sehr eigenwillig abänderte. Auf das Gesprächsthema Nummer eins in den letzten Wochen setzten die „Baumfrevler“ noch eins drauf, sägten mit Motorsäge immer wieder eine Linde um, die allerdings mit einem Scharnier versehen war und wieder in Position gebracht wurde.
Ein richtiger Holzfäller war auch dabei, Heu und Kartoffeln wurden geerntet, Sämann und Feldarbeiter waren zu Gange. Gäste aus Wichmannshausen und Kirchhosbach marschierten mit, Musik haben die Ulfener Jungs, die Spielmannszüge Werratal und Wichmannshausen gemacht, die anschließend im Zelt noch einmal ordentlich eingeheizt haben. Vor allem die „Rotjacken“ aus Eschwege ernteten stürmischen Applaus, waren sie doch mit 40 Musikern während des Spielens ständig auf engstem Raum in Bewegung.
Gelungener Abschluss
Kaum im Zelt angelangt, begann es zu regnen, der Wettergott hat die Mitteröder und ihren tollen Umzug nicht im Stich gelassen, weshalb die vielen ran gekarrten Torten anschließend um so besser geschmeckt haben. Ein gelungener Abschluss der Jubiläumstage und die Stachelbeerschnitzer heimsten von allen Seiten dickes Lob ein für diesen phantasiereichen Festzug. Am Abend rückte das Disco-Team 2000 an, mit Musik für die Jugend endete das Fest.
Freizeit und Kulturelles
Es besteht ein Heimat- und Verkehrsverein, ein Tischtennis-Club, eine Gymnastikgruppe, die Freiwillige Feuerwehr Mitterode, der Sparklub Grünautal Mitterode, sowie ein Schützenverein, der SV Mitterode 1927 e. V., der nach Auflösung durch die Wirren des Krieges 2007 wieder gegründet wurde.
Da dieser über keinen eigenen Schießstand verfügt, besteht eine Nutzung des Schießstandes mit der Schützengilde Sontra. Hier werden jedes Jahr für die Mitteröder Vereine, in Verbindung mit dem Königsschießen, ein Pokalschießen ausgerichtet, welches zur Förderung der Dorfgemeinschaft beitragen soll.
Die geselligen Veranstaltungen aller Vereine werden nicht nur für Einheimische angeboten.
Ein Jugendhaus und die darin befindlichen Jugendräume, sowie die idyllisch gelegene Grillhütte, stehen für eine rege Inanspruchnahme durch die Einwohner und Gäste zur Verfügung.